Ach ja, das Wolfenbütteler Gespräch! Erstaunlich, was alles in ein paar Junitage passt. Und wie erfüllend für Menschen, die zwar gerne über ihren Beruf als Literaturübersetzende reden, aber für die eigentliche Arbeit ein ruhiges Umfeld vorziehen. Einige Impressionen – vor allem auch unter Berücksichtigung der Weltlesebühne – habe ich bereits dort im Blog mit Fotos eingestellt. Hier folgen noch einige private Eindrücke von meinem Wochenende in der beschaulichen Lessingstadt.
Donnerstag, WoBü, 14 Uhr. Noch ist es ruhig vor Schünemanns Mühle der Bundesakademie für Kulturelle Bildung. Das wird am Freitag Abend dann gaaanz anders, wenn das Rauschen des Mühlenbachs von den rund 250 Gästen aus der Literaturübersetzung übertönt werden will. Unter dem Dach, wo es dieses Jahr erfreulich kühl ist, können wir bei der Mitgliederversammlung der Weltlesebühne etliches besprechen. Inzwischen ist der Austausch unseres überregionalen Vereins zwar dank digitaler Meetings einfacher geworden, aber nichts geht über ein persönliches Gespräch.
Vom Abendessen am Donnerstagabend im selben Restaurant, wo auch der VdÜ-Vorstand und das WoBü-Team sich stärken, ein Schnappschuss mit unserem Schatzmeister Joscha Hekele und Regina Keil-Sagawe. Mit ihr verbindet mich eine gaaanz lange Freundschaft. Regina war während meiner Unizeit Dozentin am Institut für Übersetzen und Dolmetschen in Heidelberg, und in ihrem Kurs habe ich meine erste literarische Übersetzung angefertigt. Jahre später konnte ich sie für die Weltlesebühne begeistern und auf für ein Vorstandsamt gewinnen.
Freitag, WoBü, 14:30 Uhr. Nachdem der zweite Teil unserer MV mit positiven Ausblicken auf die Ausweitung der Jungen Weltlesebühne zu Ende gegangen ist, eilen wir zum Jugendgästehaus, wo wir uns anmelden, die Tagungsunterlagen entgegennehmen und – gaaanz wichtig – die Namensschildchen bekommen. Denn schließlich wollen wir netzwerken und dazu braucht es Namen. Ganz links außen zum Beispiel steht RA Viktor Struppler, der schon vielen Kolleg*innen – ja, auch Katharina und mir – mit juristischem Rat geholfen hat. In der Mitte des rechten Fotos Olaf Kutzmutz von der Bundesakademie für Kulturelle Bildung im Gespräch mit Tanja Handels vom MÜF. Das ist das Münchner Übersetzer-Forum, in dem sich schon 1996 Literaturübersetzende aus dem Münchner Raum zusammengeschlossen haben. Und diese Gegend mit großartigen Veranstaltungen zum Thema Übersetzen versorgt. Tanja ist das Bindeglied zur Weltlesebühne – falls sich mal jemand gefragt hat, ob die Weltlesebühne nicht endlich eine Dependance in Bayern aufmachen möchte. Da gibt es also schon einen Verein, der die Literaturübersetzenden sichtbar macht.
Und dann hinein in den Saal – die Tagung wird eröffnet! Zu meiner großen Freude werden vor dem großen Publikum die beiden Videos des VdÜ zum 70. Bestehen des Berufsverbands vorgestellt. Eine sehr kurze und eine etwas längere Version. Julian und ich hatten dafür auf der MV des VdÜ in Düsseldorf Stimmen eingefangen. Die Mitglieder hatten sich zum teil sehr emotional bei ihrem Verband für dessen Einsatz bedankt und noch einmal dessen Bedeutung betont. O-Ton des 2. Vorsitzenden Andreas Jandl: „Wenn rien ne va plus – geh zu VdÜ!“
In der Mitte die Überreichung der Ehrengabe an Ebbe Drolshagen durch die beiden Vorsitzenden. Ebba hat unter anderem über viele Jahre das Verbandsleben fotografisch dokumentiert. Inzwischen hat sie den Staffelstab an ein Team der jüngeren Generation abgegeben – das auch auf Instagram unterwegs ist.
Links dann die besondere Überraschung für die Mitglieder: Alle 1.400 haben per Post einen Comic geschenkt bekommen. Ursprünglich auf Polnisch erschienen, hat u.a. Dorothea Traupe – zusammen mit dem im Foto zu sehenden Team – dafür gesorgt, dass man nun nachlesen kann, was „Im Kopf der Übersetzerin“ passiert.
Andreas Jandl teilt mit großer Freude noch ein paar Exemplare aus, die wir z.B. unserer Lieblingsbuchhändlerin überreichen dürfen. Damit auch andere Menschen der Buchbranche auf sehr unterhaltsame Weise ein wenig über die Geschichte des Übersetzens erfahren. Und sehr anschaulich in den Kopf einer Übersetzerin blicken können.
Ein wunderbares Geschenk, das ich bestimmt noch vielen Menschen vorstellen werde. Aber nur zur Ansicht – zu kaufen ist der Comic leider noch nicht.
Es folgt noch ein superinteressanter Vortrag von Jens Wawrczeck mit Parallelen zwischen dem Finden einer Stimme beim Schauspielen und beim Übersetzen, das Abendessen mit dem aufgeregten Stimmengewirr von Literaturübersetzenden und dann – das Lesefest unter dem Motto „Lass die Sau raus“. Weil sich immer so viele Übersetzende mit so vielen tollen Texten bewerben, gibt es dieses Jahr eine Neuerung: die Speedbühne!
Übersetzungs-Tandems finde ich ja – aus gegebenem Anlass – besonders spannend. Links ein ganz besonderes: Juliette Aubert-Affholder und Mirko Bonné. Die zwei lesen zweisprachig aus Victor Hugos „Die Kunst, Großvater zu sein„. Natürlich auch zu zweit übersetzt.
Und rechts – ja das bin ich, fotografiert von Viktor Struppler , der oben auf der Empore sitzt. Welche Freude, dass meine diesmal Ü-Trio-Kolleginnen Barbara Engelmann und Katharina Schmidt durch unsere gemeinsame Übersetzung „Die Insel der schwarzen Katzen“ von Piergiorgio Pulixi doch noch mit in WoBü waren. Und welche Ehre, diese Lesung mit einer höchst amüsanten Passage beschließen zu dürfen!
Am Samstag steht Weiterbildung an. Ich habe vom Orgateam einen „Krimitag“ bekommen. Erst „Blut fließt (fast) immer“ mit der erfahrenen Übersetzerin von Spannungsliteratur Karen Witthuhn. In Arbeitsgruppen sehen wir einmal mehr, wie wichtig es ist, sich Gedanken über die jeweiligen Handelnden zu machen.
Und am Nachmittag „Tatort, Waffen und Polizei“. Ich erfahre von einer echten Polizistin, wie man sich auf „der Wache/dem Revier/dem Abschnitt“ ausdrückt und die SpuSi wirklich so genannt wird. Ein Riesengewinn für die nächsten Krimis!
Samstag, WoBü, 14 Uhr. Zwischen die Workshops haben Julian und ich zwei Drehtermine gepackt. Zuerst ein Interview, das demnächst in der Reihe „Preisgekrönte Häupter der Übersetzungskunst“ auf dem Kanal der Weltlesebühne zu finden ist: apl. Prof. Dr. Vera Elisabeth Gerling vom Studiengang „Literaturübersetzen“ der Heinrich-Heine-Universität im Gespräch mit Karin Betz. Die wird nämlich noch am Abend mit dem Helmut-M.-Braem-Übersetzer-Preis ausgezeichnet.
Danach noch ein Kurzclip mit Claudia Steinitz. Zu finden dann hier auf der Webseite des Verlags edition converso, der seine Übersetzenden lobenswert ins Rampenlicht stellt. Dort gibt es übrigens schon ein Video mit Claudia, das ich 2022 – mit viele Vogelgesang aus dem Park – aufgenommen haben.
Preisverleihung. Einfach nur große Freude! Karin Betz bei der Übergabe des Preises durch Beate Frauenschuh vom Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. und nach der Laudatio von Prof. Dr. Philipp Theisohn von der Universität Zürich. Und nur noch mal zur Info: Der mit 12.000 Euro dotierte Preis würdigt ihre Übersetzung des Romans Meine Stadt der Hongkonger Autorin XiXi und zugleich das übersetzerische Lebenswerk von Karin Betz. Mehr dazu hier auf dem Blog der Weltlesebühne. Und wer Karin im wunderschönen chinesischen Park in Frankfurt sehen will, der klicke hier eines der ersten Videos, die ich für den Youtube-Kanal der Weltlesebühne erstellt habe.
Feiern! Schlangestehen fürs Büffet, Süßes und Party!
Sonntag, Kommisse, 10 Uhr. Eine Nacht kann sehr kurz sein … Hier ein Insider-Joke: Ich war Zeuge, wie RA Struppler hat sein persönliches WoBü-Triple geschafft hat!
Das Aufstehen hat sich allerdings gelohnt und wer das Gespräch der Autorin Mithu Sanyal mit ihren Übersetzerinnen Ana Mitrevski (Serbisch) und Ditte Hermansen (Dänisch) zu ihrem Buch „Identitti“ (Hanser, 2021) schwänzt, verpasst ein echtes Highlight! Dania Schüürmann führt klug und beruhigend durch diese witzige Unterhaltung. Der trockene Humor von Ana Mitrevski, vorgetragen mit stoischer Miene – zum Niederknien!
Und weil ich durch meine Veranstaltungsorganisation und das Projektmanagement bei der Digitalen Weltlesebühne weiß, wieviel Arbeit ganz sicher hinter dem reibungslosen Ablauf von diesem kurzweiligen langen Wochende steckt, hier ein Riesenapplaus für das Wo-Bü-Orga-Team: (von links nach rechts) Brigitte Jakobeit, Kristin Lohmann, Jan Schönherr, Frida Lemke, Katharina Diestelmeier und Elke Link!
Natürlich mache auch ich noch ein Selfie, führe noch ein paar ruhige Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen, die ich in den Tagen davor zwar gesehen, aber nicht gesprochen habe, gebe mein Namensschild und den Fragebogen ab – und dann ist die Tagung vorbei. Tschüß Wolfenbüttel – bis auf jeden Fall zur MV der Weltlesebühne am 26. Juni 2025!
P.S.: Da ich Literaturübersetzende gerne auch im bewegten Bild sichtbar mache, hier noch etwas Werbung für den Youtube-Kanal der Weltlesebühne. 2022 habe ich meine ersten rasende Reporterinnen-Erfahrungen gesammelt und das 17. Wolfenbütteler Gespräch in knapp vier Minuten in ein Video gebannt – anzusehen hier. Und im selben Jahr haben einige Kolleginnen und Kollegen ihre Erwartungen an die Jahrestagung im Video festgehalten – zu finden hier. Viel Vergnügen!